Museo Borgogna, Vercelli, Foto: Museum

Franz Lippisch

Das Floß des Todes, Berlin 1885

Schwarze und graue Tusche, 34 x 90,5 cm

Das Blatt zeigt den Tod als mit einem dunklen Gewand bekleidetes Gerippe, das in einem Boot stehend mit einem langen Stab ein Floß aus Menschenleibern in einem breiten Strom dem Betrachter entgegenführt. Man erkennt Menschen verschiedener Epochen und gesellschaftlicher Gruppen, z.B. ganz rechts ein Krieger mit Fahne, Mitte rechts einen Mann im Renaissancekostüm, Mitte links ein König mit Krone und Zepter, vorn links ein modern gekleideter Mann mit Buch in der Hand. Für die Steilküstenlandschaft im Hintergrund standen wohl die Rügener Kreidefelsen Pate, die Franz Lippisch 1883 zeichnete. Außer einem nachträglich (1932) verfassten Gedicht ist keine Äußerung des Malers zu seinem Bild überliefert. Als Anregung könnten die mittelalterlichen Totentänze und der Triumph des Todes nach dem Gedicht von Petrarca gedient haben. Sie zeigen den Tod als Gerippe in einer Menschenmenge. Angespielt wird in Lippischs Bild auch auf den Fährmann Charon, der in der griechisch-römischen Mythologie die Verstorbenen ins Totenreich überführt, allerdings nicht als Flößer. Allgemeine Bezüge gibt es zu Klingers Tod als Pflasterer und Böcklins Toteninsel, während das Motiv der jungen Frau vorn rechts das Gemälde Ophelia von John Everett Millais zitiert (Museo Borgogna 2003, S. 140). Franz Lippischs Zeichnung kann wie die Gemäldefassung als „Memento Mori“ (mahnende Erinnerung an den Tod) und als Gesellschaftskritik gedeutet werden. Wie in den Totentänzen erscheint der Tod als Gleichmacher. Es ist aber keine Erlösungshoffnung angedeutet, sondern der Mensch sieht sich konfrontiert mit dem „unerbittlichen Strom des Schicksals“ (Wenck, Franz Lippisch, S. 5). Für Das Floß des Todes und die beiden auf Capri entstandenen Illustrationen zu Goethes Faust II erhielt Franz Lippisch 1886 den Menzel-Preis der Berliner Akademie der Künste.

Ausst.: 1885 oder 1886 Berlin (Gurlitt), 1887 Große Berliner Kunstausstellung (Nr. 1014), dort für die Sammlung Borgogna erworben. – Lit.: Boetticher Bd. I/2 (1895), S. 886 mit falschem Besitzvermerk; Museo Borgogna. I disegni, Cologno Monzese 2003, Nr. 84, S. 139f.

Foto: Zeno.org

Max Klinger

Tod als Pflasterer (Dritte Zukunft),Blatt 6 aus dem Zyklus "Eva und die Zukunft" (Opus III), 1880

Radierung und Aquatinta, 18,6 x 12,7 cm

Ähnlich drastisch wie Franz Lippisch gestaltete Max Klinger die Figur des Todes: Er lässt ihn als Straßenpflasterer mit dem Rammbock auf die Menschen losgehen. Der Tod erscheint als Folge des biblischen Sündenfalls, darauf weist links im Bild das christliche Kreuz. Später schuf Klinger ganze Bildfolgen zum Thema Tod („Vom Tode. Erster Teil“, Opus XI, 1889; „Vom Tode. Zweiter Teil“, Opus XIII, 1898–1910).

Alte Nationalgalerie, Berlin, Foto: Wikimedia Commons

Arnold Böcklin

Die Toteninsel, 1883

Öl auf Leinwand, 80 x 150 cm

Sicher war Franz Lippisch das berühmte Gemälde des von ihm verehrten Schweizer Malers bekannt. Die abgebildete 3. Fassung (Erstfassung 1880) entstand für Böcklins – und Lippischs – Kunsthändler Fritz Gurlitt, der dem Bild den einprägsamen Titel Die Toteninsel gab und durch eine Reproduktionsgrafik von Max Klinger für seine große Bekanntheit in der Zeit des Fin de siècle sorgte. Lippischs Tod als Flößer teilt mit dem Bild die Fährmann-Motivik, folgt aber einer ganz eigenständigen Idee.

Tate Modern, London, Foto: Wikimedia Commons

John Everett Millais

Ophelia, 1851/52

Öl auf Leinwand, 76 x 112 cm

Franz Lippisch entnahm dem Bild das Motiv der jungen Frau vorn rechts in seiner Zeichnung Das Floß des Todes und in der späteren Gemäldefassung Flößer Tod. Ophelia ist eine Figur aus Shakespeares „Hamlet“. Sie stirbt durch Ertrinken in einem Bach und galt als Symbol für den Liebestod.